Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom bei Erwachsenen
Wodurch unterscheidet sich ADS bei Kindern und Erwachsenen?

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Bei Erwachsenen gelten die gleichen Leitsymptome. Dennoch ist es oftmals viel komplexer, die Diagnose zu stellen, weil Coping (Bewältigungsstrategien) die Verhaltensweisen maskieren können.

Aufmerksamkeitsstörung, gesteigerte Impulsivität sind bei Erwachsenen häufig von gleicher Bedeutung und von Nicht-Betroffenen wahrzunehmen. Statt der Hyper-/ Hypoaktivität ist das wesentliche Kardinalsymptom des ADS bei Erwachsenen, die psychische Verhaltensauffälligkeit.

  • Ablenkbarkeit
  • Träumen
  • Hyperfokussierung
  • Reizfilterschwäche
  • Hyperaktivität
  • Hypoaktivität

Sie entsteht im wesentlichen durch eine erhöhte Ablenkbarkeit; diese wird verursacht durch eine Gedankenflut, die nicht kontrolliert werden kann. Die bei ADS typische Reizfilterschwäche lässt das Gehirn nicht zur Ruhe kommen. Ständig reihen sich neue Gedanken aneinander, die nicht unbedingt einen logischen Zusammenhang haben müssen:

Ein typisches (reales) Beispiel mag dies verdeutlichen:

„.... ich muss jetzt unbedingt los, Lebensmittel einkaufen. Im Sonderangebot war ja auch ein Campingstuhl...den darf ich ja auf keinen Fall vergessen...ach ja, der letzte Campingurlaub an der See war wunderbar... Wenn ich daran denke, wieviel Spaß es Anna machte, auf der Ostsee zu surfen. Es war so schönes warmes Wetter.... Hoffentlich werden wir nicht wieder von den Mücken so zerstochen....Ach diese verdammte Penicillinallergie, was mache ich nur, wenn sich wieder alle Einstiche entzünden. Am besten fahr ich gleich noch beim Hausarzt vorbei und lasse mir ein Mückenspray aufschreiben.......“

Die ständige Neuentwicklung von Gedanken kann nicht säuberlich geordnet und inhaltlich getrennt werden. Insoweit besteht eine Überflutung mit Gedanken, die letztendlich verwirren und eine erhöhte Vergesslichkeit auslösen. Im genannten Fallbeispiel wurde die ursprüngliche Absicht, Lebensmittel einzukaufen, vergessen. Stattdessen wurde spontan ein Besuch beim Arzt vorgenommen.

Ablenkbarkeit

Ein weiteres Kriterium der Aufmerksamkeitsstörung ist das Wegdriften, das Träumen bei Langeweile. Diese manifestiert sich rasch bei Desinteresse. Letzteres ist das häufige Resultat einer Unter- wie auch Überforderung. Gerade bei subjektiv empfundener schulischer/beruflicher Überforderung entwickeln Betroffene häufig ausgeprägtes Desinteresse („Null Bock auf irgendwas“) als Schutzwall vor ständiger Frustration und somit weiteren Angriffen auf das ohnehin schmächtige Selbstwertgefühl. In derartigen Momenten dient das Träumen, in eine angstfreie Welt zu entfliehen. Im obigen Fallbeispiel wurde stresshaft erlebtes Einkaufen (Angst vor Hektik und vielen Menschen im Kaufhaus) zum Auslöser für Tagträume, die sich vornehmlich um die schönen Urlaubserlebnisse des Vorjahres rankten.

Träumen

Ein weiteres Moment der Aufmerksamkeitsstörung ist die Fähigkeit zur Hyperfokussierung. Unter Hyperfokussierung wird eine hochkonzentrierte Verharrung an einem Projekt verstanden. Diese kann durch ein spannendes Buch, fesselndes Computerspiel, Fernsehkrimi o.ä. ausgelöst werden. Letztendlich trägt auch die Hyperfokussierung dazu bei, die Welt um sich herum zu vergessen und alle anderen – auch sehr wichtigen – Reize von außen zu ignorieren. Die offensichtliche Triebfeder des Verhaltens ist bei der Hyperfokussierung wie auch beim Träumen die Steigerung des eigenen Selbstwertgefühls. Dieser Vorgang verläuft unbewusst. Beim Träumen gelingt eine Ablenkung von selbstwertmindernder Beschäftigung. Hyperfokussierung („highscoring“ beim Action-Computerspiel) vermittelt eine künstliche Aufwertung des Selbstwertgefühls, das unbedroht und ohne Kritik von außen hochgepusht werden kann.
Hyperfokussierung

Kennzeichen der Aufmerksamkeitsstörung ist sowohl bei Hyperfokussierung als auch beim Tagträumen das Zuviel oder Zuwenig an Konzentration (Interesse). Die Konzentration ist beim ADS-Patienten durch ein weiteres Moment störanfällig: Bei auftretender emotionaler Erregung folgt sehr rasch eine Blockade der Konzentration. Ärger, Wut, Angst, Unruhe, Missstimmung, atmosphärische Störung, aber gelegentlich auch Freude können eine große Störung der Konzentration bewirken. Beispielsweise werden das Kaugummikauen anderer Menschen oder das Ticken einer Uhr bei gegebener Unfähigkeit, nebensächliche Reize auszublenden (Reizfilterschwäche), als massive Störung empfunden. Fortan entwickelt sich eine stetig zunehmende ärgerliche Gereiztheit gegenüber dem „Unruhestifter“. Die erste Folge ist eine nachhaltige Störung der Konzentration auf die eigentliche Arbeitsaufgabe; der hierdurch empfundene Ärger wird im zweiten Moment gegenüber dem „Unruhestifter“ ausgelebt, der somit ins Fadenkreuz der Kritik gerät. Es resultiert sowohl in der Schule als auch am Arbeitsplatz eine erhöhte Streitlust mit allen weiteren negativen Konsequenzen für den ADS-Betroffenen. Am Ende dieser Reaktionskaskade steht stets die Ablenkung oder das Vergessen der eigentlichen Konzentrationsaufgabe.

Reizfilterschwäche

Das Leitsymptom Hyperaktivität beim ADS-Kind mit motorischer Bewegungsunruhe, ist beim ADS-Erwachsenen nicht mehr regelmäßig als äußere Unruhe sichtbar. Es ist nur noch fakultativ und meist nur noch vom Betroffenen selbst wahrnehmbar in Form einer starken – nicht erklärbaren – „inneren Unruhe“.

Die motorische Unruhe äußert sich beim Erwachsenen vielleicht noch durch aufgeregtes Hin- und Herlaufen, das Zappeln mit Fingern oder Füßen, sog. „Wender-Zeichen“ (benannt nach dem Amerikaner Wender). Nun ist nicht jeder, der dieses Zeichen bietet, gleich ein ADS-Patient im Erwachsenenalter. Aber es ist ein wichtiges äußerliches Indiz allemal gerade bei Erwachsenen. Regelmäßiger vorhanden ist jedoch die starke (äußerlich verborgen bleibende) innere Unruhe:

Zeichen der inneren Unruhe sind die fehlende Entspannungsfähigkeit, die erhöhte Spannung des Muskeltonus und nachfolgend gehäufte meist halbseitige Nacken-Kopfschmerzen. Weiteres Zeichen der Hyperaktivität ist eine ständige Bewegungsunruhe, die aber nach außen teilweise geschickt „kompensiert“ werden kann: Ständig muss etwas bewegt werden: Möbelrücken, Putzen oder auch das Anfassen und Hantieren mit Gegenständen. Dazu gehört auch das unentwegte Suchen und Anfangen neuer Projekte und Ideen. Die gleichzeitige Erledigung nebeneinander ablaufender Handlungen wird „Multitasking“ genannt, ein typisches Merkmal bei Hyperaktivität von Erwachsenen. Extreme Schlaflosigkeit oder deutlich reduziertes Schlafbedürfnis können weitere Mosaikbausteine zur Diagnose eines ADS sein.. Häufige Umzüge (in der gleichen Stadt) und häufig wechselnde Arbeitgeber können weitere Indikatoren für Rast- und Ruhelosigkeit sein.

Hyperaktivität

Aber auch die Hypoaktivität kann sowohl bei Erwachsenen als auch Kindern - ein weiteres Leitsymptom sein. Oft kommt sie bei Betroffenen im Wechsel mit der Hyperaktivität - aber auch isoliert - vor. Sie geht meist einher mit einer starken Stimmungslabilität einher. Häufige Wechsel der Stimmungslage zwischen euphorischen und letztendlich depressiven Phasen sind sehr charakteristisch und wegweisend bei ADS. Diese meist nur kurzdauernden Phasen mit depressiver Stimmungslage und Antriebsstörung sind abzugrenzen von der klassischen (endogenen) Depression. Wesentliches Kennzeichen bei der Hypoaktivität unter ADS ist eine starke Müdigkeit mit vorzeitiger Erschöpfung.

Typisch bei Erwachsenen zeigt sich diese Müdigkeit z.B. bei Frauen um das 30igste Lebensjahr: Nach den ersten spannenden Jahren der Familiengründung und der Kindererziehung prägt die dann allmählich einsetzende Routine den Alltag und wird als langweilig empfunden. Ausgeprägte Antriebshemmung und vorzeitige Ermüdung meist schon zu Mittag bestimmen das klinische Bild. Als Beispiel wird schon das in den Keller Gehen, das Befüllen einer Waschmaschine oder das Heraufholen eines Glases Marmelade als Überforderung empfunden. Schon mittags besteht oft ein deutlich erhöhtes Schlafbedürfnis, dem nicht widerstanden werden kann. Häufig geht diese erhebliche Antriebsstörung mit einer chaotischen Haushaltsführung einher: Verzetteln, Vergessen, Umstandskrämerei, nichts geregelt bekommen sind hier wichtige Stichworte. Nicht selten wird die beschriebene, nicht erklärbare Müdigkeit und Antriebsstörung als Auslöser weitergehender depressiver Störungen und Stimmungsveränderungen erlebt. Dies geschieht vor allem, weil sich Betroffene früher nicht selten als extrem (zwanghaft) leistungsorientiert kannten und die jetzige Situation als weiteren Angriff auf ihr Selbstwertgefühl erleben.

Charakteristisch ist aber, dass insbesondere der Arbeitsbeginn ein entscheidendes Problem darstellt. Gelingt aufgrund äußerer Einflüsse (Coaching) dennoch der Arbeitsbeginn, so kann oftmals die Müdigkeit und depressive Stimmung manchmal im Handumdrehen bei nachweisbarem Erfolg ebenso rasch wieder überwunden werden.

Diese Konstellation ist somit deutlich abzugrenzen von einer allgemeinen Lethargie bei der klassischen Depression, die über einen längeren Zeitraum andauert. Ferner ist ein weiteres Symptom der Hypoaktivität ein verlangsamtes Arbeitstempo. Typisch ist hier im Gegensatz zur Hyperaktivität das fehlende „Multitasking“.

Hypoaktivität

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